von Andreas Butz
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Settingspezifisches BGM: Gesundheitsförderliches Arbeiten im Homeoffice

In diesem Artikel erläutern wir Chancen und Herausforderungen der Arbeit im Homeoffice. Vor allem die Frage, wie in diesem Umfeld gesund gearbeitet werden kann, sollte ein zentrales Thema eines modernen Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) sein.

Unsere Arbeitswelt erlebt einen dynamischen Wandel. Mindestens seit Corona haben Arbeitsorte außerhalb eines festen Betriebsstandorts  dabei immer mehr an Bedeutung gewonnen. Schätzungen zufolge können rund die Hälfte der Erwerbstätigen zumindest Teile ihrer Arbeit von zu Hause aus erledigen.1

Arbeiten im Homeoffice* bietet sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Vor allem die Frage, wie in diesem Umfeld gesund gearbeitet werden kann, sollte ein zentrales Thema eines modernen Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) sein.

Im Folgenden werden daher zunächst Chancen und Risiken beschrieben und darauf aufbauend Stellschrauben für ein gesundheitsförderliches Arbeiten im Homeoffice, wie Arbeitsbedingungen, Kommunikation, Führung und Aufgaben- und Prozessgestaltung, aufgezeigt.  


Chancen und Herausforderungen

Das Stichwort Mental Load ist erst seit wenigen Jahren im öffentlichen Diskurs präsent und meint die unsichtbare Sorgearbeit, auch Care-Arbeit, die in jeder Familie (vor allem mit Kindern) anfällt. Dazu zählt die Verantwortungsübernahme für den Familienalltag, sowie das Organisieren und (Voraus-)Planen desselbigen. Typische Gedankenketten sind beispielsweise: „Morgen ist Waldtag im Kindergarten. Passt denn die Matschhose noch? Vielleicht müssen wir noch eine neue kaufen. Ben hat noch Klavierunterricht – wer kann ihn denn diese Woche abholen? Habe ich ihm das Geld für die Klavierlehrerin schon mitgegeben? Ist der Kühlschrank noch voll genug für das Abendessen? Wer kümmert sich um Oma?“. Für sich genommen ist jede dieser Überlegungen überschaubar, in Summe kann sich aber eben doch eine erhebliche Belastung ergeben.2 Problematisch dabei ist vor allem, dass die meisten der Aufgaben nicht sichtbar sind. Das erschwert die Zuordnung der Belastung und damit auch die Anerkennung und Wertschätzung des Geleisteten gegenüber sich selbst, aber auch durch den/die Partner:in. Ein Ungleichgewicht in der Verteilung des Mental Load kann bei der/dem Partner:in in Form von Druck spürbar werden, „endlich auch mal mehr zu machen“ oder dadurch, dass Aufgaben zugeteilt werden. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer Dynamik, die langfristig zu Unzufriedenheit auf beiden Seiten führt.  


Mental Load: noch immer eher Frauensache

Digitale, flexible Arbeitsbedingungen können sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit haben.1

Positive Effekte:

  • Selbstbestimmte Gestaltung von Arbeits- und Privatleben: Flexible Arbeitsbedingungen ermöglichen es, die Balance zwischen Beruf und Freizeit individuell anzupassen, was zu höherer Zufriedenheit führen kann.
  • Direkte gesundheitsförderliche Effekte: Die Wahrscheinlichkeit körperlich-sportlicher Betätigung steigt beispielsweise, wenn die Arbeitszeiten flexibler gestaltet werden können oder lange Anfahrtswege wegfallen.

Negative Effekte:

  • Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben: Die mangelnde räumliche und zeitliche Trennung der verschiedenen Lebensbereiche und permanente Erreichbarkeit können zusätzliche Belastungen verursachen, beispielsweise durch fehlende Erholungsphasen oder vermehrte Konflikte im Privatleben. Dies kann zu Stress, Konzentrationsschwierigkeiten und Burnout führen.
  • Vermehrtes Arbeiten im Homeoffice kann auch zur Reduktion sozialer Kontakte führen und mit Vereinsamung einher gehen.  
  • Unzureichend ausgestattete Arbeitsplätze im außerbetrieblichen Umfeld können zu ergonomischen Problemen und gesundheitlichen Beschwerden führen.

Insgesamt zeigt sich, dass die positiven Effekte flexibler Arbeitsmodelle stark von der individuellen Umsetzung und den persönlichen Rahmenbedingungen abhängen. 1


Verbindung von Verhältnis- und Verhaltensprävention

Ein effektives BGM kombiniert beide Ansätze der Verhältnis- und der Verhaltensprävention, da sich die Handlungsfelder gegenseitig beeinflussen.

Unter Verhaltensprävention versteht man alle Maßnahmen zur individuellen Förderung von Gesundheitskompetenzen. Dabei werden Strategien und Methoden eingesetzt, die darauf abzielen, das präventive und gesundheitsbewusste Verhalten der Mitarbeitenden zu stärken. Im Gegensatz dazu fokussiert sich die Verhältnisprävention auf die Rahmenbedingungen für gesundes Arbeiten und richtet sich an die organisationale Verantwortung. Hierzu zählen beispielsweise Führungskultur, Arbeitsbedingungen, sowie die Gestaltung von Aufgaben und Prozessen.3  

Arbeitsbedingungen

Für eine gesundheitsförderliche Arbeitsplatzgestaltung im Homeoffice sind ergonomisch eingerichtete Arbeitsplätze, notwendige Arbeitsmittel zur Erfüllung der Arbeitsaufgabe und eine gesunde Gestaltung der Arbeitsumgebung wichtig.

So sollte sichergestellt sein, dass ein ergonomisch verstellbarer Stuhl, ein höhenverstellbarer Schreibtisch und im Idealfall ein separates Arbeitszimmer zur Verfügung stehen.  

Alle notwendigen Arbeitsmittel, wie z.B. ein Laptop mit zusätzlicher Tastatur und Maus, ein zweiter Bildschirm, ein Headset etc. sollten zur Verfügung stehen.  

Die Arbeitsumgebung sollte vor allem ausreichende Lichtverhältnisse bieten, lärmgedämmt sein und eine Frischluftzufuhr möglich machen.  

Diese genannten Maßnahmen auf der Ebene der Verhältnisprävention entfalten ihre volle Wirkung erst in Kombination mit einem bewussten und proaktiven Verhalten, wie beispielsweise gesundheitsförderliche Routinen (wie u.a. dynamisches Sitzen, Wechsel von Sitz-, Steh- und Bewegungsphasen, Pausengestaltung etc.). 1

Kommunikation

Kommunikation ist ein zentrales Element für ein erfolgreiches settingspezifisches  BGM im Homeoffice. Die Kommunikationskultur einer Organisation bildet die Grundlage für gesunde Arbeitsstrukturen.

Strukturierte Kommunikationskanäle

Es sollte klar definiert sein, welche Kommunikationskanäle wofür genutzt werden. Videocalls oder persönliche Gespräche eignen sich für emotionale und kreative Themen, während E-Mails auf sachliche Inhalte beschränkt bleiben sollten. Eine Bestandsaufnahme und Optimierung der Kanäle kann Überlastung vermeiden und die Effektivität steigern.

Auch für die Kommunikation zu BGM-Themen müssen geeignete Kanäle gewählt werden, um Gesundheitsförderung wirksam zu gestalten. Digitale Tools wie Befragungen oder interne Apps können Feedback ermöglichen, Gesundheitsparameter erfassen und an Angebote erinnern.

Feedbackkultur für Vertrauen und Wertschätzung

Entscheidend für eine gesunde Unternehmenskultur ist die Art der Kommunikation. Eine offene Feedbackkultur sollte hier hervorgehoben werden, die maßgeblich zur einer Verbesserung des Vertrauens beiträgt und gegenseitige Wertschätzung fördert. 1

Führung

Führungskräfte spielen eine zentrale Rolle bei der erfolgreichen Umsetzung des BGM, insbesondere im Homeoffice. Während grundlegende Prinzipien gesundheitsförderlicher Führung überall gelten, erfordert die Führung auf Distanz spezielle Strategien, da die zwischenmenschliche Interaktion eingeschränkt ist.  

Selbstführung

Führungskräfte beeinflussen die Arbeitskultur maßgeblich durch ihre eigene gesundheitsorientierte Selbstführung. Ein bewusster Umgang mit der eigenen Gesundheit wirkt sich positiv auf die Leistungsfähigkeit des gesamten Teams aus, da sie als Vorbild für gesundes Arbeitsverhalten dient.

Wertschätzung und Anerkennung

Wertschätzung schützt vor psychischer Belastung und kann durch Interesse am Einzelnen, ehrliche Kommunikation und regelmäßigen sozialen Austausch gezeigt werden. Partizipation stärkt zudem das Zugehörigkeitsgefühl, indem Mitarbeitende in Entscheidungsprozesse einbezogen und in ihrer Weiterentwicklung gefördert werden.

Vertrauen und Transparenz

Klare Regelungen, Entscheidungsfreiräume und regelmäßiges, ergebnisorientiertes Feedback fördern Vertrauen. Mikromanagement sollte vermieden werden, da es Misstrauen schürt. Ehrlichkeit und Authentizität sind essenziell für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, insbesondere bei räumlicher Distanz. 1

Aufgaben- und Prozessgestaltung

Die berufliche Leistungsfähigkeit im Homeoffice hängt stark vom Selbstmanagement der Mitarbeitenden und den verfügbaren Ressourcen ab. Ein effektives Selbstmanagement fördert das Wohlbefinden, die Zufriedenheit und die Gesundheit. Das BGM sollte gezielt Maßnahmen unterstützen, die eine bessere Aufgaben- und Prozessgestaltung ermöglichen.

Arbeitsorganisation und Zeitmanagement

Ein gutes Selbstmanagement umfasst eine klare Priorisierung von Aufgaben, ein effektives Zeitmanagement und eine ausgewogene Arbeitsstruktur. Die Reihenfolge der Arbeitsaufgaben innerhalb eines Tages sollte gezielt geplant werden. Anspruchsvolle Tätigkeiten, die eine hohe Konzentration, Kreativität oder Gedächtnisleistung erfordern, sind am besten am Vormittag zu erledigen. Dagegen eignen sich administrative, koordinierende Aufgaben sowie Meetings und Telefonate besser für die Zeit nach dem Mittagstief.  

Flexibilität und Pausenmanagement

Die flexible Arbeitszeiteinteilung im Homeoffice kann die Produktivität und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbessern. Regelmäßige Pausen sind essenziell für Konzentration und Leistungsfähigkeit und sollten bewusst eingeplant werden.

Gesundheitsförderliche Routinen

Um gesundheitsbewusstes Verhalten nachhaltig zu verankern, sind Routinen und Gewohnheiten wichtig. Daher sollte bei jeder BGM-Maßnahme, wie z.B. der Förderung des Selbstmanagements, der Fokus auf eine wirksame Verhaltensänderung gelegt werden. 1

Selbstverantwortung stärken und Rahmenbedingungen optimieren

Bei der Entwicklung von BGM-Maßnahmen für das Homeoffice muss berücksichtigt werden, dass Beschäftigte weniger direkt erreichbar und weniger sichtbar sind. Daher wird die Förderung der Selbstverantwortung in Bezug auf Gesundheit und Gesundheitskompetenz zu einem zentralen Element im Homeoffice. Eine nachhaltige Verhaltensänderung – als integraler Bestandteil aller BGM-Maßnahmen – kann hier einen wichtigen Beitrag leisten.  

Trotz des erhöhten Schwerpunkts auf Selbstverantwortung gilt auch beim Präventionsmanagement für das Homeoffice das Grundprinzip: Verhältnisprävention muss vor Verhaltensprävention kommen, denn nur unter gesunden Rahmenbedingungen können Menschen dauerhaft gesund handeln. 4

Die Beschäftigung mit dem Thema BGM im Homeoffice führt zu der Schlussfolgerung, dass bestehende Konzepte hinterfragt und weiterentwickelt werden müssen. Gleichzeitig eröffnet dies die Möglichkeit, diese Konzepte so anzupassen, dass sie den digitalen Arbeitsalltag gesundheitsförderlich integrieren und künftig innovativ, individuell sowie flexibel gestaltet werden können.

 

*In diesem Beitrag wird aus Gründen der Lesefreundlichkeit der Begriff Homeoffice als Sammelbegriff für räumlich flexibles Arbeiten, gestützt durch digitale Arbeitsmittel benutzt. Hier liegt eine Gemeinsamkeit für Homeoffice, Telearbeit und Mobiles Arbeiten, wobei sich die Begrifflichkeiten in anderen Punkten sonst voneinander angrenzen lassen. 2

 

 

Quellen:   

1. Schorlemmer J, Schiffler A. Zukunftsthemen im BGM. BGM im Setting Homeoffice. In: Lange M, Matusiewicz D, Walle O, editors. Praxishandbuch Betriebliches Gesundheitsmanagement. Grundlagen – Standards – Trends. Freiburg: Haufe Group; 2022. p. 564 – 575.

2. Backhaus N, Tisch A, Beermann B. Telearbeit, Homeofice und Mobiles Arbeiten: Chancen, Herausforderungen und Gestaltungsaspekte aus Sicht des Arbeitsschutzes. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; 202. doi:10.21934/BAUA:FOKUS20210505

3. Uhle T, Treier M. Betriebliches Gesundheitsmanagement: Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt – Mitarbeiter einbinden, Prozesse gestalten, Erfolge messen. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden; 2029 doi:10.1007/978-3-658-25410-0.

4. Klotter C. (1999). Historische und aktuelle Entwicklungen der Prävention und Gesundheitsförderung – Warum Verhaltensprävention nicht ausreicht, In: Österreich R, Volpert W, editors. Bern: Psychologie gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen; 1999. p. 23–61.

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