
Isometrisches Training bei Bluthochdruck – Wunderwaffe oder nur ein Trend?
Jede:r dritte Erwachsene in Deutschland leidet laut Robert-Koch-Institut an Bluthochdruck. Unbehandelt erhöht sich dadurch das Risiko für Arterienverkalkung, Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich. Neben der medikamentösen Behandlung hat auch Bewegung eine positive Auswirkung auf den Blutdruck. Werden die Muskeln beansprucht, wird mehr Blut durch den Körper gepumpt, was die Gefäße erweitert und den Druck auf diese senkt. Eine neue umfangreiche Studie eines britischen Forschungsteams der Universität Canterbury aus dem Jahr 2023 lenkt im ,,British Journal of Sports‘‘ den Blick etwas weg von den bisher bekannten Sportarten wie Laufen, Radfahren oder klassischem Krafttraining hin zu einer überraschenden Trainingsform, die – wenn sie regelmäßig ausgeführt wird – den Blutdruck effektiv senken kann: das sogenannte isometrische Training. Für die Studie wurden ca. 270 klinische Studien mit über 15.000 Proband:innen verglichen, mit dem Ergebnis, dass isometrische Übungen den Blutdruck effektiver senken können als klassisches Ausdauertraining oder Kraftsport.1 Aus den Ergebnissen lässt sich erkennen, dass jede Art von Bewegung einen positiven Einfluss auf den Blutdruck hat. Bei den Proband:innen, die isometrischen Übungen ausführten, war der Effekt jedoch am größten; ihr systolischer Blutdruckwert sank im Schnitt um ca. 8 mmHg, der diastolische um 4 mmHg. Dieser systolische Messwert wird während der Anspannungsphase der linken Herzkammer sowie der Auswurfphase des Blutes gemessen.4
Was ist isometrisches Training und wie wirkt es?
Bei isometrischen Übungen spannt man bestimmte Muskeln an, ohne sich im Raum zu bewegen. Der Körper verharrt mit angespannten Muskeln in einer statischen Position. Der Muskel wird also nicht dynamisch bewegt und in die Dehnung bzw. Kontraktion gebracht. Die Muskulatur zieht sich zusammen und wird unter Dauerspannung gehalten, wie zum Beispiel beim Wandsitz oder beim Unterarmstütz – auch Plank genannt.1
Allein die muskuläre Anspannung hat hierbei einen signifikanten positiven Effekt auf den Blutdruck. Sie trägt in großem Maß zu einer Erweiterung der Gefäße bei und senkt sowohl den diastolischen, vor allem aber den systolischen Blutdruck (Erklärung siehe oben). Der diastolische Blutdruckwert herrscht während der Entspannungsphase des Herzens vor. Es wird aktuell angenommen, dass es durch die muskuläre Anspannung vermehrt zur Ausschüttung von Muskelhormonen und bestimmten Botenstoffen, den sogenannten Myokinen, kommt. Diese wirken blutdrucksenkend, indem sie die Gefäße elastisch machen. Außerdem wird aus den Endothelzellen, also der Innenschicht der Blutgefäße, Stickstoffmonoxid freigesetzt, sobald es nach dem Halten der Übung zu einem plötzlichen Blutfluss kommt. Es wirkt entspannend auf die Blutgefäße, sodass diese sich erweitern - was wiederum blutdrucksenkend wirkt.2
Weitere Vorteile der isometrischen Übungen
Isometrische Übungen sind gut in den Tagesablauf zu integrieren, da sie wenig Zeit erfordern und keine zusätzlichen Hilfsmittel benötigt werden. Zudem liegen diesen gelenkschonenden Bewegungs- und Haltemustern keine komplizierten Bewegungsabläufe zugrunde. Trotzdem verbessern sie sowohl die Stabilität als auch die Koordination, da sie die Aktivierung des Muskels in einer bestimmten Position erfordern. Diese Aktivierung der Muskulatur stabilisiert die Gelenke und kann dadurch auch Verletzungen vorbeugen. Auch wenn isometrische Übungen zunächst ganz einfach erscheinen, werden sie oft als intensiv empfunden und können (wie beispielsweise bei der Plank) die Körpermitte effektiv unterstützen sowie die Muskulatur stärken. Für den blutdrucksenkenden Effekt ist es jedoch wichtig, dass das isometrische Training große Muskelgruppen anspricht wie zum Beispiel die Rumpf- oder Oberschenkelmuskulatur.1
Selbst aktiv werden – Trainingsempfehlungen für isometrisches Training
In den Studien hielten die Proband:innen die Übung für zwei Minuten, dann pausierten sie ein bis vier Minuten. Das Ganze wurde viermal wiederholt, an drei Tagen pro Woche. Daraus zieht der Studienleiter Jamie O’Driscoll den Schluss, dass im optimalen Fall diese Positionen zwei Minuten gehalten werden sollten.4 Ebenso empfehlen Kardiolog:innen dreimal die Woche vier Einheiten isometrischer Übungen, ergänzend zu Ausdauer- und Krafttraining.2
Wie wirkungsvoll ist das Training nun oder ist es lediglich ein neuer Trend?
Ob auch weniger isometrisches Training als oben genannt genügt, lässt sich anhand der Studienanalyse nicht beantworten. Natürlich haben die isometrischen Übungen auch einen positiven Effekt, wenn diese nicht über zwei Minuten gehalten werden können oder weniger Übungen am Stück durchgeführt werden. Dieser ist aber in entsprechend geringerem Maße zu verzeichnen.3
Trotzdem diskutieren Wissenschaftler:innen aufgrund der Erkenntnisse dieser Studie nun darüber, die aktuellen Trainingsrichtlinien zur Kontrolle des Blutdrucks zu überarbeiten. Der Leitlinie kann bereits entnommen werden, dass zur effektiven Bekämpfung von Bluthochdruck an vier bis fünf Tagen der Woche Sport betrieben werden soll. Wie intensiv das Training gestaltet wird oder in welcher Taktung, kann mit den behandelnden Ärzt:innen besprochen und an das eigene Befinden angepasst werden.1
Die Regelmäßigkeit sowie die Abwechslung sind hierbei entscheidend, denn auch nach den Studienergebnissen steht fest: Der Fokus sollte nicht ausschließlich auf isometrisches Training gelegt werden. Empfohlen wird eine Kombination aus (isometrischem) Kraft- sowie Ausdauersport, denn auch Ausdauersport hat weitere positive Effekte auf den Stoffwechsel und die Psyche. „Das kann an zwei oder drei Tagen ein isometrisches Training sein, dann gehe ich noch einmal ins Fitnessstudio und eine lockere Runde laufen oder mache anderen Ausdauersport“, schlägt ein renommierter Sportmediziner Jamie O’Driscoll vor.4
Quellen:
1. Herzmedizin: Warum isometrische Übungen den Bluthochdruck senken können. [Internet]. 2023. [zuletzt abgerufen 06/2024]. online verfügbar unter: https://herzmedizin.de/fuer-patienten-und-interessierte/wissen/blutdruck/warum-isometrische-uebungen-bluthochdruck-senken.html
2. SWR Wissen: Gesundheitsvorsorge: Isometrische Übungen senken Blutdruck besser als Ausdauersport. [Internet]. 2023. [zuletzt abgerufen 06/2024]. online verfügbar unter: https://www.swr.de/wissen/isometrische-uebungen-senken-blutdruck-100.html
3. RKI: Gesundheitsmonitoring: Bluthochdruck. [Internet]. 2023. [zusetzt abgerufen 06/ 2024]. online verfügbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Themen/Chronische_Erkrankungen/Blutdruck_DZHK.pdf?__blob=publicationFile
4. Edwards J J, Deenmamode A H P, Griffiths M et al.. Exercise training and resting blood pressure, A large-scale pairwise and network meta-analysis of randomised controlled trials. In: British Journal of Sports Medicine 25.07.2023, 57: 1317-1326 ; online verfügbar unter: https://bjsm.bmj.com/content/57/20/1317