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An alles gedacht?! – Die unsichtbare Last von Mental Load
Was Mental Load ist, was die Hintergründe dazu sind und wie Familien und Sorgegemeinschaften die unsichtbare Last sichtbar machen können wird in diesem Magazinartikel beleuchtet.

Den (Familien-)alltag organisieren, an alles denken und alles planen – Vvielleicht kennen auch Sie das Gefühl, den Kopf permanent voll zu haben und eine innere To-Do-Liste mitrattern zu lassen. Die mentale Belastung, die dadurch entsteht, ist der sogenannte Mental Load.1 In diesem Magazinartikel zeigen wir auf, wie es zu dieser Belastung kommt, warum nach wie vor meist Frauen/Mütter stärker betroffen sind und wie Sie gemeinsam mit Ihrer Familie oder in Ihrer Gemeinschaft den Mental Load sichtbar machen können.
Was versteht man unter Mental Load?
Das Stichwort Mental Load ist erst seit wenigen Jahren im öffentlichen Diskurs präsent und meint die unsichtbare Sorgearbeit, auch Care-Arbeit, die in jeder Familie (vor allem mit Kindern) anfällt. Dazu zählt die Verantwortungsübernahme für den Familienalltag, sowie das Organisieren und (Voraus-)Planen desselbigen. Typische Gedankenketten sind beispielsweise: „Morgen ist Waldtag im Kindergarten. Passt denn die Matschhose noch? Vielleicht müssen wir noch eine neue kaufen. Ben hat noch Klavierunterricht – wer kann ihn denn diese Woche abholen? Habe ich ihm das Geld für die Klavierlehrerin schon mitgegeben? Ist der Kühlschrank noch voll genug für das Abendessen? Wer kümmert sich um Oma?“. Für sich genommen ist jede dieser Überlegungen überschaubar, in Summe kann sich aber eben doch eine erhebliche Belastung ergeben.2 Problematisch dabei ist vor allem, dass die meisten der Aufgaben nicht sichtbar sind. Das erschwert die Zuordnung der Belastung und damit auch die Anerkennung und Wertschätzung des Geleisteten gegenüber sich selbst, aber auch durch den/die Partner:in. Ein Ungleichgewicht in der Verteilung des Mental Load kann bei der/dem Partner:in in Form von Druck spürbar werden, „endlich auch mal mehr zu machen“ oder dadurch, dass Aufgaben zugeteilt werden. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer Dynamik, die langfristig zu Unzufriedenheit auf beiden Seiten führt.
Mental Load: noch immer eher Frauensache
Obwohl sich heute viele Familien bemühen, eine gleichberechtigte Rollenverteilung zu leben, zum Beispiel indem beide Partner:innen arbeiten gehen und sich für die Erziehung der Kinder interessieren und engagieren, leisteten laut einer Studie des DIW Frauen im Jahr 2023 noch immer eineinhalbmal so viel unbezahlte Sorgearbeit wie Männer.3 Damit bleibt auch der Mental Load, als Teilaspekt der Sorgearbeit, eher bei der Frau/Mutter hängen.4 Dadurch, dass die Mütter nach der Geburt des Kindes meist länger zu Hause bleiben, sind sie geübter im Umgang mit dem Kind und allem, was rundherum zu organisieren ist. Sie hatten daher einfach mehr Zeit, in diese Aufgabe hineinzuwachsen. Dass Frauen aus biologischen Gründen für Kinderversorgung und Co. besser geeignet seien, wurde indes wissenschaftlich widerlegt.5
Viel eher spielt die weibliche Sozialisierung und das damit vermittelte gesellschaftliche Rollenverständnis in der Regel eine entscheidende Rolle. Eigene erlernte Muster und vermeintliche Erwartungen anderer, beispielswiese dem Besuch ein aufgeräumtes Heim zu präsentieren, können außerdem einen Einfluss auf das Belastungserleben haben. Gesellschaftliche Erwartungen an die Gleichzeitigkeit und Perfektion in der Ausübung verschiedener Rollen, wie in diesem Zitat von Renate Schmidt, SPD-Politikerin, ehemalige Bundesfamilienministerin, auf den Punkt gebracht, tun ihr Übriges: "Da Frauen nun mal keine Übermenschen sind, kann ich nicht zu 100 Prozent Berufsfrau, zu 100 Prozent Mutter und Hausfrau und zu 100 Prozent Partnerin sein. Das ist nie und nimmer zu schaffen. Denn dann bin ich innerhalb kürzester Zeit ein 300-prozentiges Wrack.“6
Wie kann der Mental Load sichtbar gemacht werden? 7,8
Das Wichtigste ist, als Sorgegemeinschaft miteinander ins Gespräch zu kommen – ohne einander in einer vorwurfsvollen Haltung zu begegnen. Wie ist die gefühlte Verteilung aller Aufgaben? Inwieweit stimmt die Wahrnehmung der beiden Partner:innen überein? Es kann hilfreich sein, eine Liste aller Aufgaben anzufertigen, versehen mit der Ergänzung, wer aktuell dafür zuständig ist und wie viel Zeit dies in Anspruch nimmt. Die Initiative „Equal Care Day“ hat dafür beispielhaft einen Test entwickelt.
Im nächsten Schritt muss darüber gesprochen werden, welche Aufgaben wie neu verteilt werden können, damit die Zufriedenheit für beide Partner:innen steigt. Es kann günstig sein, diese Verteilung als dynamisch sich verändernd zu betrachten und in regelmäßigen Abständen gemeinsam zu reflektieren. Was hat sich bewährt? Was funktioniert so nicht? Was müssen wir anpassen, wenn sich die Lebensumstände geändert haben?
Wenn Sie sich auf eine Neuverteilung geeinigt haben, ist es hilfreich, dem Gegenüber zu erlauben, Dinge anders zu machen, als Sie es selbst gemacht hätten – also, dass beispielsweise an dem Mittag, an dem die weniger kochgeübte Person für das Essen zuständig ist, mal Pizza bestellt wird, anstatt den Kindern etwas Gesundes zu kochen. Auch wird es wahrscheinlich einmal vorkommen, dass bestimmte Dinge vergessen werden. Soll sich langfristig etwas ändern, ist es jedoch günstig, dies auszuhalten, anstatt gleich einzuschreiten und den „Fehler“ selbst auszubügeln.
Wichtig: es gibt kein Richtig oder Falsch! Für jede Familie oder Sorgegemeinschaft wird eine andere Verteilung passen. Bleiben Sie im Dialog miteinander, auch wenn das mitunter anstrengend sein kann.
Quellen:
1 Equal Care Day. Was ist mental load [Internet]. [zitiert am 31.01.2023]. Online verfügbar unter: https://equalcareday.de/was-ist-mental-load/
2 ARD alpha. Was hilft gegen den unsichtbaren Stress [Internet]. 2024 [zitiert am 06.02.2025]. Online verfügbar unter: https://www.ardalpha.de/wissen/psychologie/was-tun-mental-load-muetter-frauen-symptome-definition-test-tipps-aufgaben-belastung-100.html
3 Schäper, C, Schrenker, A, Wrohlich, K (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung). Gender Pay Gap und Gender Care Gap steigen bis zur Mitte des Lebens stark an. DIW Wochenbericht, 9/2023; 99-105. Verfügbar unter: https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-9-1
4 Die Zeit, infas, WZB. Ergebnisse aus der Vermächtnisstudie 2023 [Internet]. 2023 [zitiert am 06.02.2025]. Online verfügbar unter: https://www.zeit-verlagsgruppe.de/wp-content/uploads/2023/05/Ergebnisse-aus-der-Vermaechtnisstudie-2023_Presse_Langversion-1.pdf
5 National Geographic. Haben nur Mütter einen Mutterinstinkt? [Internet]. 2018 [zitiert am 19.02.2025] Online verfügbar unter: https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2018/05/haben-nur-muetter-einen-mutterinstinkt-forscher-geben-antworten
6 Augsburger Allgemeine. Renate Schmidt: Frauen gehen zu oft Konflikten aus dem Weg [Internet]. 2019 [zitiert am 06.02.2025]. Online verfügbar unter: https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/weltfrauentag-renate-schmidt-frauen-gehen-zu-oft-konflikten-aus-dem-weg-id53725446.html
7 Deutschlandfunk Kultur. Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingen kann [Internet]. 2020 [zitiert am 31.01.2023]. Online verfügbar unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/mental-load-wie-gerechte-arbeitsteilung-in-der-familie-100.html
8 Cammarata, P. Raus aus der Mental Load Falle. Weinheim: Julius Beltz Verlag GmbH; 2020.