von Stephanie Petschnik
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Ein blinder Fleck der Medizin: ADHS im Erwachsenenalter

Im Kindes- und Jugendalter wird das Störungsbild mittlerweile häufig erkannt und korrekt diagnostiziert, anders bei Erwachsenen. Wir erläutern Hintergründe und Auswirkungen.


Der Zappelphilipp aus Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter ist wohl jedem und jeder ein Begriff: Unruhig wippt er am Mittagstisch auf seinem Stuhl und fällt schließlich, Mahnungen seiner Eltern ignorierend, mit samt der Tischdecke und allem, was darauf ist, vom Stuhl. Die kleine Geschichte wird nicht selten als Blaupause für ADHS, die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, verstanden. Gut möglich, dass der Autor, ein Frankfurter Psychiater (!), das Störungsbild, wenngleich im Entstehungszeitraum des 19. Jahrhunderts nicht klassifiziert, klar vor Augen hatte: Desorganisation, Ablenkbarkeit, psychomotorische Unruhe und Impulsivität.


ADHS im Kindes- und Jugendalter

Lange galt ADHS als Störungsbild des Kindes- und Jugendalters. Bis zu 5 % aller Minderjährigen sind von dieser Störung betroffen. In den letzten Jahren konnte die Forschung jedoch zeigen, dass auch bis zu 3 % aller Erwachsenen betroffen sind. Dass ADHS häufig als Krankheitsbild des Kindheitsalters verkannt wird, liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Erkrankung in der Regel vor dem 7. Lebensjahr manifestiert und sich die Symptome mit zunehmendem Lebensalter verändern können.1

Gründe für die Entstehung sind, wie bei den meisten psychischen Störungen, in der genetisch-biologischen Veranlagung und Umweltfaktoren (etwa Familienverhältnissen) zu suchen. Insbesondere in der Schule, aber auch in häuslicher Umgebung, fallen dann Konzentrationsstörungen und eben die typische Zappelphilipp-Unruhe auf, die bei Lehrkräften und Eltern oft auf Unverständnis stoßen.

Einfach erklärt gerät das Gehirn in einen Dauerzustand von Ermüdung, wie Hirnstrommessungen nachweisen können. Wie man es von übermüdeten Kleinkindern kennt, fahren dann Körper und Geist erst richtig hoch, sodass die typischen ADHS-Zeichen sichtbar werden. Um das Gehirn aus diesem „Ermüdungszustand“ herauszuholen, kann man – auf den ersten Blick kontraintuitiv – unter anderem aufputschende Mittel wie das landläufig bekannte Methylphenidat (Ritalin) als Medikament verabreichen. Zusätzlich spielen in der Therapie Psychoedukation, also Aufklärung, und Psychotherapie eine wichtige Rolle. Das Ansprechen auf derartige Therapie ist im Kindesalter meist gut, besonders dann, wenn eine Diagnose zeitnah erfolgt. Dennoch bestehen bis zu zwei Drittel der Erkrankungen im Erwachsenenalter fort.2


Ü18 und ADHS - Gibt es das?

Anders als bei Kindern spielt der Zappelphilipp-Aspekt eine untergeordnete Rolle im Erwachsenenalter. Die motorische, äußerlich sichtbare Unruhe entwickelt sich nicht selten zu einer inneren Unruhe. Gleichzeitig stehen Symptome wie emotionale Überreagibilität und Störungen der Affektkontrolle, zum Beispiel in Form von Gefühlsausbrüchen, im Vordergrund. Trotzdem sind auch ADHS-Symptome des Kindesalters wie Desorganisiertheit (Schlüssel verlegen) und Aufmerksamkeitsstörungen (Gesprächen kann nicht gefolgt werden) für Erwachsene relevant. Diese leicht veränderten Schwerpunkte in der Symptomatik haben unter anderem dazu geführt, dass ADHS im Erwachsenenalter lange niemandem ein Begriff war – auch innerhalb der Fachwelt.

Die Probleme liegen auf der Hand: Betroffene suchen jahrelang nach Gründen für ihre Schwierigkeiten im Alltag. Noch dazu ist ADHS oft mit anderen psychischen Erkrankungen vergesellschaftet, wie depressiven und Angststörungen, Substanzabhängigkeit sowie Ess- oder Persönlichkeitsstörungen. Häufig gelangt man in der psychiatrischen Diagnostik erst über diese Sekundärdiagnose zur Erkenntnis, dass ein Mensch von ADHS betroffen ist. Vor allem bei der Frage nach der Kindheit berichten Betroffene nicht selten von schon zu Schulzeiten beobachteten “Zappelphilipp-Episoden” oder ausgedehnten Phasen von Verträumtheit, ein häufiger bei Mädchen beobachtetes Symptom.


Hilfe für Betroffene

Eine umfassende Diagnostik durch validierte Fragebögen und eine eingehende Anamnese ist der erste Schritt in der Bewältigung der ADHS. Dafür ist es wichtig zu wissen, dass ADHS im Erwachsenenalter überhaupt möglich und gar nicht so selten ist. Entsprechend muss auch das Umfeld sensibilisiert werden, sodass impulsive Gefühlsausbrüche oder das zehnte Verlegen des Schlüssels eingeordnet werden können. Zudem sollte man ein Auge auf mögliche, oben genannte Begleiterkrankungen haben. Ähnlich wie im Kindesalter spielt eine therapeutische Kombination von Medikamenten und Psychotherapie- bzw. -edukation eine Rolle. Der erste Schritt bei Verdacht auf ADHS sollte über die hausärztliche Versorgung beziehungsweise eine:n Fachärzt:in für Psychiatrie erfolgen. Weiterführende Informationen zum Thema und Hilfe zur Selbsthilfe werden auf folgenden Seiten angeboten.

 

Quellen:

1) Selbsthilfegruppen | ADHS Deutschland e. V. (adhs-deutschland.de)

2) ADHS – einfach nur viel Energie oder schon hyperaktiv? — Patienten-Information.de

3) patientenleitlinie.pdf (ag-adhs.de)

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